Bild "Ohne Titel (Ein sitzender und ein darüber gebeugter Akt / Nach dem Bade)" (1924/25) (Unikat)
Bild "Ohne Titel (Ein sitzender und ein darüber gebeugter Akt / Nach dem Bade)" (1924/25) (Unikat)
Kurzinfo
Unikat | signiert | Kreidezeichnung auf Bütten | gerahmt | Format 63 x 56 cm
Detailbeschreibung
Bild "Ohne Titel (Ein sitzender und ein darüber gebeugter Akt / Nach dem Bade)" (1924/25) (Unikat)
Die vorliegende farbige Kreidezeichnung auf Büttenpapier stammt aus einer späteren Periode im OEuvre von Ernst Ludwig Kirchner. Er war nach mehreren Aufenthalten in Sanatorien in die Schweiz gezogen, um dort Kraft zur Genesung zu finden. 1923 notiert er in sein Tagebuch: "Unser neues Häuschen ist eine wahre Freude für uns. Wir werden da gut hausen und in großer neuer Ordnung. Dies soll wirklich ein Wendepunkt meines Lebens werden."
Auf der Veranda dieses neuen Hauses auf dem Plateau Wildboden bei Frauenkirch entstand das hier angebotene Unikat, das der Künstler mit schnellem Strich in Blau, Braun und Rot ausführte. Es zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Frau Erna im stehenden und Anna Müller im sitzenden Akt, die beide sichtlich vergnügt dargestellt wurden.
Anna war die Ehefrau des Schweizer Künstlers Albert Müller, den Kirchner gerade erst kennengelernt hatte, der aber ein enger Freund und Schüler werden sollte. Das Ehepaar Müller war in den folgenden Jahren immer wieder zu Gast in dem Haus bei Frauenkirch und saß dem Künstler Modell, der sie in seinem Tagebuch 1925 wie folgt beschreibt: "Sie sind nette einfache Menschen, denen man etwas sein kann. Er lernt in der Malerei und allem, sie in der Hausführung, Kindern etc. Ich habe heute sie mit den Zwillingen angefangen. Das Bild kann etwas werden. Ich fange heute ganz anders an als früher, viel freier und suche bis ich die für die Idee gehörige Farbkomposition habe, dann führe ich erst aus."
Farbige Kreidezeichnung auf Bütten, 1924/25. Signiert. Die Zeichnung ist im Kirchner Archiv dokumentiert und wird in das Werkverzeichnis aufgenommen. Mit Expertise von Dr. Wolfgang Henze vom 2. November 2009. Motivgröße/Blattformat 41 x 33 cm. Format im Rahmen 63 x 56 cm wie Abbildung.
Über Ernst Ludwig Kirchner
1880-1938
Ernst Ludwig Kirchner war Gründungsmitglied der Künstlergruppe "Brücke" und zählt zu den wichtigsten Vertretern des Expressionismus. Zu seinem Œuvre zählen rund 30.000 Gemälde, Zeichnungen, Skizzen und Plastiken.
Wird die Angst eines Menschen übergroß und sein Lebensinhalt nicht nur bedroht sondern ihm auch genommen, dann sieht er oft nur noch einen Ausweg: den selbstgewählten Tod. So erging es Ernst Ludwig Kirchner, der seinem Leben am 15. Juni 1938 auf der Alm oberhalb von Davos mit einem Pistolenschuss ein Ende setzte. Vorher jedoch zerstörte er seine Druckstöcke und einen Großteil seiner Skulpturen aus Angst vor dem Einmarsch deutscher Truppen.
In der Schweiz lebte der gebürtige Aschaffenburger - er erblickte am 6. Mai 1880 das Licht der Welt - seit dem 13. Oktober 1918. Schwere Depressionen und Medikamentenmissbrauch veranlassten seine Freunde ihn nach wiederholten Sanatoriumsaufenthalten in Deutschland an den Arzt Ludwig Spengler in Davos zu vermitteln.
Der erste Weltkrieg, für den Kirchner sich "freiwillig unfreiwillig" meldete, löste erstmals seine Angstzustände aus. Besonderes Zeugnis dieser inneren Befindlichkeit wurde sein "Selbstportrait als Soldat" von 1915.
Kirchner war ein Maler, der immer seine unmittelbare Umgebung in Öl, im Holzschnitt, in der Radierung und auch in der Skulptur wiedergab. So ist sein Werk durch mehrere Phasen gegliedert: Als Mitbegründer der Künstlervereinigung "Brücke" 1905 vertrat er eine stark buntfarbige und expressive Malerei, deren Thematiken vor allem die sogenannten "Viertelstunden-Akte" sowie Stadtszenen Dresdens und Berlins ausmachen. Mit der "Entdeckung" der Freilichtmalerei gelangten die Akte vom Atelier ins Freie: 1904 an die Moritzburger Seen, ab 1908 nach Fehmarn.
Kirchner wählte dann nach Auflösung der "Brücke" 1913 als neues Motiv die Berliner Straßenszenen, die mit harten Strichen und schwarzem Kontur das Milieu der Kokotten wiedergeben. Die paradiesische Landschaftsmalerei wich damit für eine lange Zeit dem kritischen Blick auf die Randgruppen der Gesellschaft.
Erst in der Schweiz fand er wieder zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit. Die Schweizer Bilder der 20er Jahre bestechen durch Farbharmonien und fließende Formen.
Neben der Malerei und Grafik widmete sich der in einer Almhütte lebende Künstler auch der Skulptur. Jedoch die Machtübernahme der Nationalsozialisten und die Diffamierung von 639 seiner Werke als "Entartete Kunst" schürten abermals die Ängste des sensiblen Künstlers und führten ihn in die Katastrophe.
Ein Unikat oder ein Original ist ein Kunstwerk, das vom Künstler persönlich geschaffen wurde. Es existiert nur einmal aufgrund der Art der Herstellung (Ölgemälde, Aquarell, Zeichnung, Skulptur aus verlorener Form etc.).
Neben den klassischen Unikaten existieren auch die sogenannten "seriellen Unikate". Sie werden je Serie mit gleichem Motiv und in gleicher Farbe und Technik von der Hand des Künstlers ausgeführt. Die seriellen Unikate haben ihre Wurzeln in der "seriellen Kunst“, einer Gattung der modernen Kunst, die durch Reihen, Wiederholungen und Variationen desselben Gegenstandes, Themas bzw. durch ein System von konstanten und variablen Elementen oder Prinzipien eine ästhetische Wirkung erzeugen will.
Als historischer Ausgangspunkt gilt das Werk "Les Meules“ von Claude Monet (1890/1891), in denen zum ersten Mal eine über die bloße Werkgruppe herausgehende Serie geschaffen wurde. Künstler, die serielle Kunst geschaffen haben, sind u. a. Claude Monet, Piet Mondrian und vor allem Gerhard Richter.