Das Alte, das Neue und die Kunst des Zitats

Das Alte, das Neue und die Kunst des Zitats

30.12.21
ars mundi

Das Neue verdrängt das Alte, um bald darauf vom Allerneuesten ersetzt zu werden. In der Welt der Kunst gilt dieser Grundsatz nicht. Hier muss sich das Neue vielmehr am Alten messen lassen, das als Vorbild und als Anspielungshorizont immer präsent ist.

Viele Künstler stellen sich dieser Herausforderung ganz bewusst. Das bahnbrechende Werk eines Auguste Rodin wäre ohne seine intensive Auseinandersetzung mit der Tradition der antiken Plastik schlichtweg nicht denkbar, und wenn Jean-Claude Cubaynes die Gartenpracht eines Monet wieder aufleben lässt oder Ma Tse Lin klassische Darstellungen des Buddha nutzt, dann arbeiten sich diese Künstler voller Respekt am Alten ab. Zudem ist es ein Phänomen, das über die Grenzen verschiedener Kunsttraditionen hinweg zu beobachten ist: Van Goghs Begeisterung für japanische Holzschnittdrucke hatte großen Einfluss auf sein Schaffen und Ukata Aruas Werk verbindet uralte afrikanische Tradition mit den Ideen der westeuropäischen Moderne.

Das Neue verdrängt also das Alte nicht, es erweitert vielmehr die Welt der Kunst. Und so ist es nicht die Abfolge von Kalenderjahren, sondern die Summe von Lebensjahren, die als Metapher für das Alte und das Neue in der Kunst dienen könnte: Als Summe von (Kunst-)Erfahrungen, die den Weg zu neuer Kreativität ebnet.