Die Merkmale der Kunst des Biedermeier - Blick hinter die Kulissen des Bürgertums
Die Biedermeier-Zeit war eine Phase großer Umbrüche - sowohl in der Kunst als auch in der Gesellschaft und der Politik insgesamt. Die Epoche erstreckte sich in den Ländern des Deutschen Bundes von Ende des Wiener Kongresses im Jahr 1815 bis zum Beginn der bürgerlichen Revolution 1848. In diesem Zeitraum entwickelte sich nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch in Literatur, Theater, Architektur, Interieur und Mode ein sehr spezifischer Stil.
Die Malerei förderte verschiedene neue Genres bzw. Neuinterpretationen bekannter Sujets zutage, zum Beispiel die "Zimmerbilder" oder Landschafts- und Porträtmalerei. Typische Biedermeier Kunst Merkmale waren idyllische und harmonische Szenen aus dem Privatleben der Menschen sowie eine besonders realistische Ausarbeitung der Bildgegenstände.
Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen der Biedermeier Kunstepoche
In den Kunstwerken einer Epoche spiegeln sich häufig die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse wider. Künstlerinnen und Künstler lassen sowohl ihre persönlichen Emotionen als auch die Stimmung innerhalb der Gesellschaft in ihre Arbeiten einfließen. Dies gilt im besonderen Maße auch für die Kunst des Biedermeier.
Um die Biedermeier Kunstepoche zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Rahmenbedingungen, unter denen sie entstanden ist. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts befand sich ganz Europa in einem großen politischen Umbruch. Im Jahr 1813 hatte Napoleon die entscheidende Völkerschlacht von Leipzig gegen die Allianz aus Russland, Preußen, Österreich und Schweden verloren. Als unmittelbare Konsequenz wurde er 1814 aus dem Amt gedrängt. Noch im selben Jahr legten die Siegermächte auf dem Wiener Kongress die Nachkriegsordnung und neue Ländergrenzen fest.
Im Zuge dieses Prozesses erstarkte die Monarchie und viele progressive Veränderungen der Jahrzehnte zuvor wurden rückgängig gemacht ("Restauration"). Besonders deutlich artikulierte sich dies in den "Karlsbader Beschlüssen". Um eine mögliche Revolution bereits im Keim zu ersticken, hatten sich die Vertreter der Länder des Deutschen Bunds auf zahlreiche restriktive Maßnahmen geeinigt. Dazu gehörten die weitreichende Beschränkung der Meinungsfreiheit, die Zensur der Presse und die Kontrolle der Universitäten.
Der Name der Biedermeier Kunstepoche geht auf eine Kunstfigur zurück, die sich der Schriftsteller Ludwig Eichrodt und der Arzt Adolf Kußmaul hatten einfallen lassen. "Gottlieb Biedermaier" diente ihnen als Alter Ego bei ironischen Gedichten und Parodien auf die kleinbürgerliche Gesellschaft. Diese hatten sie in der humoristischen Wochenschrift "Fliegende Blätter" veröffentlicht. Aus einer Satire entwickelte sich also der Name für eine ganze Epoche. |
Angesichts dieses politischen und gesellschaftlichen Rückschritts resignierten viele Menschen und wandten sich von der Tagespolitik ab. Auch aus Angst vor Repressalien hielten sie sich fortan aus dem politischen Geschehen heraus und übten sich in Realitätsverweigerung. Sie ignorierten sowohl die Beschränkungen ihrer Freiheit als auch die Armut in anderen Bevölkerungsschichten oder die Folgen der Industrialisierung. Sie zogen sich komplett in ihr Privatleben zurück und konzentrierten sich auf ihre Familie und das engere soziale Umfeld. Diese Veränderung der Lebensumstände vieler Menschen hatte auch Auswirkungen auf die Kunst des Biedermeier.
Biedermeier Kunst Merkmale: Malerei als Spiegel des privaten Lebens
Angesichts der politischen Situation zogen sich viele Bürgerinnen und Bürger in die heile Welt ihres Privatlebens zurück. Dies hatte auch Konsequenzen für die bildende Kunst. Viele Menschen flüchteten sich in Kunst und Kultur, um sich vom Alltag abzulenken. Die Malerinnen und Maler ihrerseits passten sich den Bedürfnissen der Menschen an - sowohl bei der Wahl der Motive als auch bei der Art und Weise der Bildgestaltung. Die Biedermeier Kunst sollte vornehmlich eine Atmosphäre der Harmonie schaffen.
Typische Biedermeier Gemälde Merkmale waren daher ein sehr nostalgischer Blick, eine idyllische Stimmung sowie eine beschönigende Darstellung des bürgerlichen Lebens. Außerdem sollte die Kunst des Biedermeier Tugend, Moral und ein eher konservatives Weltbild vermitteln.
Auch die Motive veränderten sich in der Biedermeier Kunstepoche. Historische, religiöse oder mythologische Szenen, wie sie in vielen Epochen vorher sehr weit verbreitet waren, spielten kaum noch eine Rolle. Besonderer Beliebtheit erfreute sich stattdessen die Genremalerei, die Motive von privaten Beschäftigungen in Haus und Freizeit zeigte. Dazu gehörten Szenen mit ganz alltäglichen Beschäftigungen, wie Handarbeiten, gemeinsamem Musizieren oder Ausflügen. Aber auch große und fröhliche Gesellschaften und Blicke in Salons, Restaurants oder Kaffeehäuser waren sehr beliebt.
Es entwickelte sich sogar ein neues Genre, in dem der Rückzug in die eigenen vier Wände förmlich zelebriert wurde. Die sogenannten "Zimmerbilder" zeigten Wohnräume völlig ohne Menschen. Die volle Aufmerksamkeit galt hier der Inneneinrichtung und dem Mobiliar, das akribisch und detailreich abgebildet wurde.
Ebenso populär war die Porträtmalerei. Meist zeigte sie Ehepartner, Kinder oder andere Familienangehörige sowie Vertreterinnen und Vertreter von verschiedenen Berufsständen. Besonderes und typisches Merkmal der Biedermeier-Porträts war eine sehr präzise und natürliche Darstellung der Personen.
Neben dem persönlichen Umfeld und dem eigenen Heim wurde die Natur zu einem wichtigen Rückzugsort für die Menschen. Damit erlebte auch die Landschaftsmalerei in der Biedermeier-Zeit einen großen Aufschwung. Gezeigt wurden klassische Motive wie Felder, Wälder und Seen, aber auch Architektur und Stadtszenen.
Wie in den Zimmerbildern und Porträts versuchten Künstlerinnen und Künstler auch in der Biedermeier Landschaftsmalerei, die Bildgegenstände so realistisch wie möglich darzustellen. Mitunter wurden die Szenen aber romantischer und idealtypischer gezeigt, als sie tatsächlich waren. |
Carl Spitzweg - bekanntester Vertreter der Kunst des Biedermeier
Die Biedermeier Kunstepoche zählt eher zu den kürzeren Episoden in der Kunstgeschichte und brachte nur vergleichsweise wenige große Künstlerinnen und Künstler hervor. In dieser Zeit machten sich u.a. Ferdinand Hasenclever, Friedrich Gauermann, Peter Fendi, Georg Waldmüller, Josef Danhauser und Friedrich von Amerling einen Namen.
Der wichtigste und auch heute noch sehr präsente Vertreter der Kunst des Biedermeier ist aber unbestritten Carl Spitzweg. Er beherrschte die typischen Biedermeier Malerei Merkmale – vor allem die sehr realistische Malweise - in Perfektion. Seine Werke wie
- "Der arme Poet",
- "Der Sonntagsspaziergang",
- "Der Schmetterlingsfänger" oder
- "Der Bücherwurm"
sind zum Inbegriff dieser Kunstepoche geworden und erfreuen sich auch heutzutage noch größter Beliebtheit.
Dass er heute zu den wenigen Namen des Biedermeier gehört, die auch noch weit über die Kunstwelt hinaus bekannt sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Zu Lebzeiten war er unter seinen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen nicht sonderlich beliebt und konnte mit seiner Malerei noch keine besonders großen Erfolge verzeichnen. Im Vergleich zu vielen seiner Kolleginnen und Kollegen verkaufte er nur wenige Bilder.
Das mangelnde Interesse an seiner Kunst lag vor allem daran, dass Spitzweg sich nicht darauf beschränken wollte, idyllische, idealisierende oder romantische Szenen zu malen. Vielmehr kommentierte er in seinen Werken mit feiner Ironie und Humor das bürgerliche Leben und die politischen Verhältnisse. Um nicht in Schwierigkeiten zu geraten, arbeitete er mit subtilen Symbolen, Doppeldeutigkeiten und Andeutungen. Offenbar war dies aber für die Mehrzahl seiner Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bereits zu kritisch und nicht akzeptabel.
Heute hingegen ist es wahrscheinlich dieser Unangepasstheit zu verdanken, dass Carl Spitzweg als wichtigster Maler der Biedermeier Kunstepoche bei vielen Menschen im Gedächtnis geblieben ist.