Frauen in der Kunst: Barrieren und der Wunsch nach Gleichberechtigung

Frauen in der Kunst: Barrieren und der Wunsch nach Gleichberechtigung

02.11.23
ars mundi

Die Kunstgeschichte birgt ein facettenreiches Spektrum an Talenten, doch allzu oft verharren die Beiträge von Frauen im Schatten ihrer männlichen Kollegen – unbeachtet, übersehen oder unterschätzt. Kunstschaffende Frauen wurden sogar bis ins 19. Jahrhundert abfällig als "Malweiber" betitelt. Noch heute erhält Kunst von Frauen weniger Beachtung, obwohl es immer schon starke Frauen in der Kunst mit außerordentlichem künstlerischem Können und Kreativität gegeben hat.

Eine Reise durch die Epochen

15. und 16. Jahrhundert

In der Renaissance wurden Frauen zum Malen ermutigt, da es als erstrebenswert galt, dass Frauen kunstversiert waren. Obwohl die Renaissance die erste Epoche markiert, in der einige wenige Künstlerinnen internationale Anerkennung erlangten, blieben die meisten künstlerischen Beiträge von Frauen dennoch oft unbekannt und wurden nur selten gewürdigt.

Die Renaissance brachte einen Wandel der Kunst hervor, wobei von den Künstlern und Künstlerinnen erwartet wurde, unter anderem Kenntnisse über Mathematik oder den menschlichen Körper zu besitzen. Die Studie des menschlichen Körpers erforderte beispielsweise die Arbeit mit männlichen Akten. Künstler erlernten diese neuen Kenntnisse in Kunstakademien. Jedoch blieb der Zugang zu Kunstakademien den Frauen verwehrt, was dazu führte, dass viele talentierte Frauen ausgeschlossen wurden und ihre Arbeit nicht angemessen anerkannt wurde.

Es begann ein langer Kampf der Frauen für eine akademische Kunstausbildung, der teilweise erst im 20. Jahrhundert gelöst wurde. Diese systematischen Ausschlüsse trugen maßgeblich dazu bei, dass die Namen vieler talentierter Künstlerinnen der Renaissance im Schatten ihrer männlichen Kollegen verblassten und Frauen sich den patriarchalen Strukturen fügten und gegen eine künstlerische Karriere entschieden.

Kunst von Frauen im 17. und 18. Jahrhundert

Mit dem Beginn der Barockzeit und dem darauffolgenden Übergang zur Aufklärung war eine Veränderung zu beobachten. Trotz beträchtlicher Herausforderungen gelang es einigen Frauen in der Kunst, sich in kreativen Kreisen zu etablieren. Ein Beispiel ist die Künstlerin Judith Leyster, welche im 17. Jahrhundert zur gleichen Zeit wie der niederländische Meister Frans Hals arbeitete. Ihre Werke zeichneten sich durch einen ähnlichen Stil aus. Obwohl Leyster zu Lebzeiten noch hoch angesehen war, verschwand ihre Kunst nach ihrem Tod in der Versenkung und tauchte erst wieder auf, als entdeckt wurde, dass sieben ihrer Gemälde fälschlicherweise Frans Hals zugeschrieben worden waren. Erst im Jahr 1893 entdeckte das Louvre auf einem Bild unter der falschen Signatur von Frans Hals das Monogramm von Judith Leyster.

19. Jahrhundert und erste Veränderungen

Da den Frauen noch teilweise im 19. Jahrhundert der Zugang zu Kunstakademien sowie beruflichen Netzwerken verwehrt blieb, mussten sie ihr Handwerk im privaten Unterricht erlernen. Die London Royal Academy of Art öffnete beispielsweise bereits im Jahr 1860 ihre Türen für Frauen, als die Künstlerin Laura Herford versehentlich aufgenommen wurde, nachdem sie Arbeiten nicht mit ihrem gesamten Namen, sondern lediglich mit ihren Initialen LH unterzeichnet eingereicht hatte. In Deutschland wurden Frauen jedoch erst im Jahr 1919 als Kunststudentinnen angenommen.

Diese Ausgrenzung von Frauen von Bildungsmöglichkeiten bedeutete, dass sie häufig von Kunstströmungen ausgeschlossen bzw. vergessen wurden. Ein Beispiel dafür ist das Bauhaus. Obwohl sich mehr Frauen als Männer im Jahr 1919 am Bauhaus in Weimar einschrieben und der Gründer Walter Gropius behauptete, es gäbe "keine Unterschiede zwischen dem schönen und dem starken Geschlecht", wurden die wenigsten Bauhaus Künstlerinnen berühmt und viele gerieten in Vergessenheit.

Frauen in der Kunst: Pionierinnen der Moderne

Frauen in der Kunst: Pionierinnen der Moderne

Die Herausforderungen für Künstlerinnen setzten sich bis in die Moderne fort. Mit dem Aufkommen der modernen Kunstbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert begannen starke Frauen in der Kunst verstärkt in den Vordergrund zu treten. Künstlerinnen wie die expressionistische Paula Modersohn-Becker wagten es, neue Wege zu beschreiten und die traditionellen Normen der Kunst herauszufordern. Im Jahr 1906 fertigte sie beispielsweise Selbstbildnisse an, die als die ersten Akt-Selbstdarstellungen der Kunstgeschichte gelten.

In dieser Zeit begannen auch viele weitere Künstlerinnen, sich gegen die bestehenden Barrieren zu erheben. Die Forderung nach Gleichberechtigung und die Suche nach individueller künstlerischer Identität wurden zu zentralen Themen und führten letztlich zu einer feministischen Kunstbewegung.

Feministische Kunstbewegung

Die späten 1960er und die 1970er Jahre markierten mit dem Beginn der feministischen Kunstbewegung einen Wendepunkt für Frauen in der Kunst. Die feministische Kunstbewegung entstand als direkte Reaktion auf die Unterrepräsentation von Frauen in Galerien und Museen sowie die tief verwurzelten Geschlechterstereotype in der Kunstwelt. Viele feministische Künstler und Künstlerinnen sowie Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen widmeten sich intensiv der Rolle der Frau in der westlichen Kunstwelt.

Ein besonders einflussreiches Essay für die feministische Kunstbewegung war Linda Nochlins 1971 veröffentlichte Schrift "Why Have There Been No Great Women Artists?" (zu Deutsch: Warum hat es keine bedeutenden Künstlerinnen gegeben?). In ihrem Essay analysiert Nochlin erstmals die institutionellen Hürden, die Frauen im westlichen Kontext davon abgehalten haben, ähnliche Erfolge in der bildenden Kunst im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen zu erzielen.

Frida Kahlo als feministische Ikone

Frida Kahlo, eine der einflussreichsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, schuf mit ihren symbolgeladenen Selbstporträts einen einzigartigen Beitrag zur Kunstgeschichte und gilt heutzutage als Symbol für den Feminismus. Ihre Werke spiegeln nicht nur ihre persönlichen Erfahrungen und Schmerzen wider, sondern setzen sich auch kritisch mit Themen wie Identität und dem menschlichen Körper auseinander. Sie befreite sich von den gesellschaftlichen Zwängen ihrer Zeit und galt als Rebellin.

Während ihrer Lebzeiten wurde Kahlo oft lediglich als die Frau an der Seite von Diego Rivera, einem bekannten mexikanischen Maler, betrachtet. Wie so häufig wurde ihr und ihrem Werk erst nach ihrem Tod im Jahr 1954 eine besondere Bedeutung zugesprochen. Heute gilt Frida Kahlo nicht nur als die mit Abstand bekannteste Malerin Mexikos, sondern auch als eine der bekanntesten Frau in der Malerei weltweit.

Frauen in der Kunst heute

Frauen in der Kunst heute

Laut einer gemeinsamen Studie der Internet-Plattform "In Other Words" und "Artnet News" aus dem Jahr 2019 ist die Kunstszene auch heute noch von Männern dominiert. Die Forschenden analysierten Daten von internationalen Auktionen, führenden Galerien und der Kunstmesse Art Basel. Ihr Ergebnis zeigt, dass von den weltweit zwischen 2008 und 2019 auf Auktionen erzielten 196,6 Milliarden Dollar, nur etwa 4 Milliarden Dollar (ungefähr zwei Prozent) Werke von Künstlerinnen ausmachten.

Trotz des aktuellen Trends, wonach die Mehrheit der Studierenden an Kunstakademien Frauen sind, zeigt sich weiterhin eine deutliche Unterrepräsentation kunstschaffender Frauen, insbesondere von herausragenden Bildhauerinnen der Gegenwart, in Galerien und Museen. Diese Diskrepanz verdeutlicht, dass der Fortschritt in der Kunstwelt bezüglich der Gleichberechtigung der Geschlechter noch immer nicht ausreichend ist.

Gender-Pay-Gap ist in der Kunstbranche ein stark diskutiertes Thema

Am Equal Pay Day am 07. März 2023 stand die Lohngerechtigkeit in der Kunstwelt unter dem Motto "Die Kunst der gleichen Bezahlung" im Mittelpunkt. Eine Auswertung der Zahlen aus der Künstlersozialkasse hat ergeben, dass Frauen in der Kunst heutzutage rund 24 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen. Der Gender-Pay-Gap liegt bei selbstständigen Kulturschaffenden damit deutlich über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 18 Prozent im Jahr 2022.

Ein Blick in die Zukunft

Die Geschichte der Frauen in der Kunst ist eine Geschichte des Kampfes. Von den verborgenen Talenten der Renaissance bis zu den lauten Stimmen der feministischen Kunstbewegung haben Frauen dazu beigetragen, die Kunstwelt zu formen und zu transformieren. Dabei blieben sie oftmals aus den Büchern der Kunstgeschichte verbannt. Trotz der Fortschritte und lauten Stimmen feministischer Künstlerinnen ist eine Gleichberechtigung noch weit entfernt. Frauen in der Kunst sind nicht nur Musen, sondern auch Schöpferinnen von Bedeutung, die mit ihrer Kreativität und Innovation die Welt inspirieren und verändern.