Impressionismus – die Welt durch die Augen der Maler gesehen

Impressionismus – die Welt durch die Augen der Maler gesehen

20.04.23
ars mundi

Die Epoche des Impressionismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts markiert einen großen Wendepunkt in der Geschichte der Malerei. Aus dieser Zeit stammen einige der berühmtesten Künstler und Werke der Kunstgeschichte. Zugleich wurden die Weichen für die Malerei der Moderne gestellt. Die Maler des Impressionismus rückten von einer naturalistischen Darstellungsweise ab und spiegelten in ihren Gemälden ihre individuelle Wahrnehmung, insbesondere vom Licht und der Atmosphäre.

Viele Stile des 20. Jahrhunderts nahmen die Impulse der impressionistischen Pioniere auf. Heute sind einige der teuersten Gemälde aller Zeiten dieser Epoche zuzurechnen, zum Beispiel "Montagne Sainte-Victoire" von Paul Cézanne, "Verger avec cyprès" von Vincent van Gogh sowie "Le Bassin aux Nymphéas" und "Les meules" von Claude Monet.

Die Impressionisten entwickelten eine neue Philosophie der Malerei

Die Maler des Impressionismus stellten in einem bis dahin nicht gekannten Umfang die etablierten Standards der Malerei infrage. Mitte des 19. Jahrhunderts stand die Malerei noch ganz im Zeichen von Klassizismus und Romantik und hatte klare Regeln und Strukturen. So galt es als die höchste Kunst, die Bildgegenstände möglichst naturalistisch und perfekt auszuarbeiten. Ob die gemalten Szenen dabei der Realität entsprachen, war hingegen nebensächlich, so dass die Gemälde häufig übersteigerte, inhaltlich überladene oder auch fiktive Motive zeigten.

Eine kleine Gruppe von Pariser Malern, darunter Claude Monet, Camille Pissarro, Alfred Sisley oder Edgar Degas, fand sich in diesem Malstil nicht wieder und proklamierte eine Rückkehr zur Wirklichkeit – aber nicht im Sinne einer möglichst naturnahen Darstellung, sondern im Sinne einer Malerei, die die Wahrnehmung und die Empfindungen der Künstler authentisch widerspiegelte. Die Impressionisten stellten den Bildeindruck und die Atmosphäre eines einzigen flüchtigen Augenblicks fortan in den Fokus und nicht – wie Jahrhunderte vorher – Abbilder von Menschen und Objekten oder repräsentative Szenen. Vor allem maßen sie der Darstellung der Lichtverhältnisse eine besondere Bedeutung zu. Hier knüpften sie bei Malern wie William Turner, John Constable oder Gustave Courbet an, die es bereits in vorangegangenen Epochen verstanden hatten, in ihren Landschaftsgemälden das Licht und die Atmosphäre des Moments abzubilden.

Bildobjekte als Projektionsflächen für das Licht

Die Impressionisten entwickelten ein besonderes Gespür dafür, wie sich die Farben und damit der gesamte Charakter einer Szene mit den Tageszeiten, Jahreszeiten oder Wetterlagen verändern konnten. In diesem Bewusstsein erhoben sie es geradezu zu einer Kunstform, ein einziges Motiv aus der gleichen Perspektive, aber jeweils unter veränderten Umweltbedingungen zu malen. So schuf zum Beispiel Camille Pissarro mehrere Versionen von Ansichten des Boulevard Montmartre in Paris und Claude Monet wiederholte in einer Serie von 30 Gemälden seinen Blick auf die Kathedrale von Rouen.

Dieses Vorgehen unterstreicht, wie wenig relevant den Malern die Bildobjekte an sich erschienen und dass sie sie im Grunde nur als Projektionsflächen für das Licht betrachteten. Die Bildgegenstände selbst, wird Claude Monet zitiert, hätten für ihn ohnehin keine Bedeutung: "Was ich wiedergeben möchte, ist das, was zwischen dem Motiv und mir liegt."

Impressionismus - Claude Monet: Bild 'Strohschober im Sonnenlicht'

Merkmale des Impressionismus: Malerei in einem neuen Licht

Die Impressionisten hatten erkannt, dass sie ihre künstlerischen Ziele mit den bis dato bekannten Stilmitteln der Malerei nicht erreichen konnten. So veränderten sie sowohl die Techniken und Darstellungsweisen als auch den gesamten Akt des Malens für ihre Zwecke.

Am Anfang stand für die Impressionisten die Erkenntnis, dass mit der naturalistischen Darstellungsweise, wie sie zum Beispiel aus Klassizismus, Barock und Romantik bekannt war, die Atmosphäre eines Moments und der subjektive Eindruck nicht abzubilden waren. So rückten sie davon ab, die einzelnen Bildgegenstände möglichst detailliert ausarbeiten zu wollen und konzentrierten sich auf den gesamten Bildeindruck und die Farbkomposition. Sie weichten die Konturen der Bildgegenstände auf und amten damit den Effekt nach, dass an lichtdurchfluteten Sonnentagen von den Objekten kaum mehr als ihre Silhouetten erkennbar sind.

Auch andere traditionelle Prinzipien der Bildkomposition wie etwa die Zentralperspektive ignorierten sie. Außerdem verwendeten die impressionistischen Maler vorwiegend helle und leuchtende Farben und arbeiteten mit kurzen, aber deutlich sichtbaren Pinselstrichen in Einzelfarben. Für die Technik der Impressionisten musste sich auch das Publikum umgewöhnen. Dies galt vor allem für die Betrachtung, denn tritt man besonders nah an die impressionistischen Gemälde heran, lassen sich oftmals nur Farbtupfer erkennen. Erst aus einiger Entfernung treten aus dem Meer der Striche und Punkte die Bildobjekte heraus und es entfaltet sich der beabsichtigte Bildeindruck.

Nicht nur beim Farbauftrag gingen die Impressionisten neue Wege

Sie verließen außerdem ihre Ateliers und stellten ihre Staffeleien direkt vor ihren Motiven auf. Bei der Freiluftmalerei konnten sie die Szenerie am besten beobachten, die Atmosphäre in sich aufnehmen und ihre Eindrücke direkt auf die Leinwand übertragen. Der Impressionismus revolutionierte also in mehrerer Hinsicht die Malerei und schuf die Grundlage für viele Stile der folgenden Jahrzehnte wie Expressionismus, Kubismus oder Surrealismus.

Impressionismus - Max Liebermann: Bild 'Am Strand von Noordwijk'

Die Motive im Impressionismus

Mitte des 19. Jahrhunderts unterlag auch die Motivwahl strengen Regeln. Üblicherweise hatten in einem Gemälde einer oder wenige prominente Bildgegenstände im Mittelpunkt zu stehen. Auch von dieser Tradition hatten sich die Impressionisten verabschiedet. Sie malten die Bildgegenstände nicht um ihrer selbst willen, sondern nutzten sie lediglich als Reflexionsfläche für das Licht, im Grunde also als Mittel zum Zweck. Bekannte Persönlichkeiten sucht man daher in den Bildern des Impressionismus ebenso vergebens wie epische Schlachten oder mythologische Szenen.

Vielmehr wählten die Impressionisten eher unspektakuläre und alltägliche Motive und Szenen, an denen sie aber die Lichtverhältnisse besonders eindrucksvoll darstellen konnten. Zu den besonders häufigen Motiven zählten daher vor allem Landschaften ("Mohnfeld" und "Der Seerosenteich" von Claude Monet; "Frau mit Sonnenschirm in einem Garten" von Auguste Renoir), Szenen am Strand und am Meer ("Am Strand von Noordwijk" von Max Liebermann; "Das Meer bei L'Estaque" von Paul Cézanne) und Städte- und Architekturansichten ("Boulevard Montmartre an einem Wintermorgen" von Camille Pissarro; "Caféterrasse am Abend" von Vincent van Gogh).

Aber auch Porträts ("Frau mit Sonnenschirm" von Claude Monet), Genreszenen mit kleinen oder größeren Gesellschaften ("Münchner Biergarten" von Max Liebermann; "Die Kartenspieler" von Paul Cézanne) und Stillleben ("Zwölf Sonnenblumen in einer Vase" von Vincent van Gogh; "Zwei Birnen" von Edouard Manet) gehörten ebenfalls zu den Motiven. Gesellschaftskritische oder politische Themen spielten hingegen kaum eine Rolle – der Impressionismus zeigte vor allem einen unbeschwerten, fast idyllischen Blick auf die Welt.

Impressionismus - Lovis Corinth: Bild 'Blühender Apfelbaum'

Der Erfolg des Impressionismus stellte sich erst spät ein

Heute gilt der Impressionismus als eine der wichtigsten Epochen der Kunstgeschichte, doch seine Künstler hatten anfangs mit deutlichen Widerständen zu kämpfen. Mit ihrem progressiven Malstil fanden sie zu ihrer Zeit bei den etablierten Kunstinstitutionen wie Akademien und Museen zunächst keine Unterstützung und auch die Presse zeigte sich wenig freundlich. So soll der "Figaro" 1876 nach einer Ausstellung geschrieben haben, bei den "angeblichen Gemälden" handele es sich um ein "Desaster", das von einigen "Verrückten" angerichtet worden sei.

Paul Durand-Ruel – Schlüsselfigur des Impressionismus

Doch es gab auch Kunstliebhaber, die sich gegenüber den Impressionisten offen zeigten – darunter der Galerist Paul Durand-Ruel, der zu einer Schlüsselfigur des Impressionismus werden sollte. Er erkannte schon früh das Potenzial der Impressionisten und setzte sich für die neue Künstlergeneration ein. Er kaufte ihre Werke, organisierte in seiner Galerie Ausstellungen und unterstützte darüber hinaus einige Maler finanziell, darunter Édouard Manet und Claude Monet.

Mit seinem Engagement für die weitestgehend verachteten Künstler setzte Durand-Ruel viel aufs Spiel. Er riskierte nicht nur seinen Ruf als ernstzunehmender Kunstfachmann, sondern buchstäblich auch Haus und Hof: Wegen seiner hohen Ausgaben für die Künstler entging er gleich mehrfach nur knapp einer Pleite. Aber nicht zuletzt seiner Aufgeschlossenheit und seinem Mut war es zu verdanken, dass der Impressionismus sich weiterentwickeln konnte und von der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.

Der Durchbruch des Impressionismus in Deutschland und Europa

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schließlich hatte sich der Impressionismus soweit durchgesetzt, dass viele seiner Künstler wie Claude Monet oder Camille Pissarro gut von ihrer Arbeit leben konnten. In den folgenden Jahren fand der neue Malstil der Franzosen zunehmend Anhänger in ganz Europa, auch in Deutschland. Zu den Vertretern des deutschen Impressionismus am Beginn des 20. Jahrhunderts gehörten zum Beispiel Max Slevogt, Lovis Corinth und Max Liebermann.