Venus von Milo: Die 2000 Jahre alte Schönheit

Venus von Milo: Die 2000 Jahre alte Schönheit

06.04.23
ars mundi

Sie ist vermutlich das berühmteste Frauenbildnis aus der Antike und symbolisiert wie keine andere die weibliche Schönheit: Die Venus von Milo. Die Statue befindet sich seit Ende des 19. Jahrhunderts im Pariser Louvre und ist dort neben der "Mona Lisa" der große Publikumsmagnet. Sie stellt die Göttin der Liebe und der Schönheit dar und damit eine der wichtigsten Figuren der antiken Mythologie – sowohl der griechischen, in der sie "Aphrodite" genannt wird, als auch der römischen, in der sie "Venus" heißt. Rund 2000 Jahre nach ihrer Erschaffung und 200 Jahre nach ihrer Entdeckung gehört die Venus von Milo heute zu den größten Kunstschätzen der Geschichte.

Die Venus von Milo – Meisterwerk der hellenistischen Bildhauerei

Die Venus von Milo stammt vermutlich aus der Zeit zwischen 130 und 100 v. Chr. und wird häufig als Beispiel für die Bildhauerei des Hellenismus herangezogen. Sie misst 2,02 Meter und dürfte damit die meisten Menschen überragen, doch vor allem fällt ihre besondere Körperhaltung auf: Das linke Knie ist nach vorn gestellt, die Hüfte etwas nach rechts geschoben und ihr Oberkörper leicht nach hinten gelehnt. Diese leichte Drehung in der Körperachse sowie die fehlenden Arme verleihen der Venus von Milo ihre heute weithin bekannte und unverkennbare Silhouette.

Zur Zeit ihrer Herstellung – und vor allem unbeschädigt – dürfte die Venus von Milo aber nicht sonderlich aufgefallen sein, denn ihre Gestaltung folgt einigen im Hellenismus sehr weit verbreiteten Mustern für Skulpturen. In dieser Epoche schufen die Bildhauer keine individualisierten und lebensechten Abbilder ihrer Motive, sondern arbeiteten größtenteils nach genormten und meist auch idealisierenden Prototypen. Auch bei der Venus von Milo entspricht der Körperbau den in der Antike gängigen Schönheitsidealen. So gehörte es zum weit verbreiteten Standard, die Statuen weitestgehend anatomisch korrekt zu modellieren, dabei aber den Kopf im Verhältnis zum Rest des Torsos recht klein zu gestalten.

Außerdem lässt sich nicht ausschließen, dass die Venus ursprünglich nicht weiß war, sondern bunt bemalt wurde – so wie es nach jüngeren Forschungsergebnissen bei vielen Skulpturen der Antike üblich war. Die Venus von Milo dürfte also weder besonders einzigartig gewesen sein noch im Originalzustand dem uns vertrauten Bild entsprochen haben. Das ändert aber nichts an ihrer, bis heute erhaltenen großen Ausstrahlung voller Anmut und Sinnlichkeit – ganz einer Göttin der Schönheit angemessen.

Bis heute gibt die Venus von Milo viele Rätsel auf

Doch was macht die Venus von Milo so faszinierend, dass jährlich Millionen Besucherinnen und Besucher in den Louvre strömen, um sie zu sehen? Zum einen strahlt sie aufgrund ihrer 2000 Jahren währenden Geschichte eine besondere Aura aus. Zum anderen hat man – wenn man der Sage Glauben schenken mag – nicht weniger als das Abbild einer echten Göttin vor sich. Unabhängig davon gibt die überlebensgroße weiße Figur eine höchst imposante und dabei sehr ästhetische Erscheinung ab, die von außerordentlichen kunsthandwerklichen Fähigkeiten zeugt.

Vielleicht beruht die Popularität der Venus von Milo aber auch auf all dem, was man nicht sehen kann – und auf den vielen Geheimnissen, die sie umgeben: Bereits im Namen der Statue verbirgt sich eine kleine Ungereimtheit. Sie wurde auf der griechischen Insel Melos gefunden, so dass sie – folgt man der griechischen Mythologie – eigentlich Aphrodite hätte genannt werden müssen. Dennoch hat sich "Venus" durchgesetzt.

Ohnehin existieren nur wenige handfeste Fakten zu der berühmten Venus von Milo Statue, was wiederum viel Raum für Spekulationen und Legendenbildung lässt. Weder liegen gesicherte Informationen über den Bildhauer noch über das Jahr vor, in dem sie geschaffen wurde. Letztlich herrscht sogar Unklarheit darüber, ob es sich bei der abgebildeten Figur tatsächlich um Venus bzw. Aphrodite handelt. Auch die Jagdgöttin Artemis, die Nymphe Amphitrite oder auch die Siegesgöttin Victoria werden hin und wieder als mögliche Charaktere genannt.

Den meisten Raum für Spekulationen bieten die fehlenden Hände und Arme der Venus von Milo

Diese sollen beim Transport der Statue von Griechenland nach Frankreich verloren gegangen sein. Doch wie haben sie ursprünglich ausgesehen? Darüber, was die Venus in ihren Händen gehalten haben könnte, gibt es verschiedene Vermutungen. Manche gehen davon aus, dass sie einen Schild getragen hat, andere wiederum sprechen von einem Apfel als Siegessymbol. Alle diese Fragen warten seit Jahrzehnten auf eine Beantwortung – vermutlich vergeblich.

Der Popularität der Venus von Milo tut dies aber keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Ein wenig mysteriöses Flair sorgt nur dafür, dass die Fantasie des Publikums immer wieder neu angeregt wird und das Interesse an der antiken Schönheit nie abebbt.

Venus von Milo

Wie die Venus von Milo in den Louvre in Paris kam

Nach rund 200 Jahren existieren über die Umstände des Fundes der Venus von Milo und ihren Weg in den Louvre zahlreiche Legenden. Welche davon der Wahrheit entspricht, lässt sich heutzutage allerdings kaum zweifelsfrei feststellen.

Einigkeit scheint zumindest über das Datum zu herrschen, an dem die Geschichte der Venus von Milo begonnen hat. So soll am 8. April 1820 ein Bauer – sein Name wird meist mit Yorgos Kentrotas angegeben – auf der griechischen Insel Melos in den Ruinen eines Gymnasions nach Baumaterial gesucht haben. Bei seinen Grabungen stieß er auf die gut erhaltenen Fragmente der griechischen Statue. Darüber, was anschließend geschah, kursieren mehrere, sich teils widersprechende Versionen.

Eine wichtige Rolle soll ein französischer Marinesoldat gespielt haben

Dieser soll den Bauern bei seiner Entdeckung beobachtet und ihn sogar ermutigt haben, die Statue freizulegen. Der Soldat habe auch Interesse gezeigt, das Fundstück zu erwerben, zwischenzeitlich soll die Venus von Milo aber in die Hände von türkischen Soldaten gefallen sein. Manche Quellen sprechen nun davon, dass die Türken die Statue an die Franzosen verkauft hätten, andere, die Franzosen hätten sie einfach gestohlen. Auch Gerüchte über gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen beiden Parteien existieren. Fakt ist, dass die Statue schließlich nach Paris gebracht werden konnte, dort restauriert wurde und auf Wunsch von König Ludwig XVIII. im Louvre seinen Platz fand.

Die Venus von Milo mit Schubladen und Prothesen

Auch im 20. und 21. Jahrhundert taucht die Venus von Milo immer noch regelmäßig in Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft auf. Vor allem bildende Künstlerinnen und Künstler verwenden sie immer wieder gern als Zitat in Gemälden und Skulpturen.

Zu den bekanntesten Beispielen zählt "Vénus de milo aux tiroirs" von Salvador Dalí. Der legendäre Surrealist baute bei dieser besonders skurrilen Interpretation in ein Replikat der antiken Skulptur mehrere Schubladen ein. Sogar aus Legosteinen wurde die Venus von Milo (fast in Originalgröße) einmal nachgebildet. Aber vor allem im Kunsthandwerk zählt die Venus von Milo zu einem sehr beliebten Motiv für Skulptur-Reproduktionen. Sowohl als Reduktion für das Wohnzimmer als auch fast maßstabsgetreu als Gartenskulptur dürfte sie in unzähligen Haushalten zu finden sein.

Nicht nur in der bildenden Kunst hat die Venus von Milo Spuren hinterlassen

Auch in anderen Kulturbereichen finden sich immer wieder Verweise auf die berühmte Statue. So schrieb Prince einen Song mit dem Titel "Venus de Milo", ebenso Miles Davis. Auch in der Belletristik und in der Wissenschaftsliteratur beschäftigen sich Autorinnen und Autoren immer wieder sowohl mit der poetischen als auch mit der historischen Seite der Venus von Milo.

Auch außerhalb des Kultursektors ist die Venus von Milo in den Schlagzeilen zu finden

So nutzte die Organisation "Handicap International" im Jahr 2018 die Bekanntheit der Venus von Milo für eine bemerkenswerte Aktion. Um auf das Schicksal und die Probleme von Prothesenträgerinnen und -trägern vor allem in Entwicklungs- und Krisenländern hinzuweisen, stellte sie ein Replikat der Venus mit Armprothesen in der Metrostation am Louvre auf. Diese Venus von Milo mit Armen sorgte weit über die Grenzen Frankreichs hinweg für Aufsehen.

Auch auf der politischen Ebene rückte die Venus von Milo jüngst wieder in den Fokus. Nach vielen Jahrzehnten forderte der Bürgermeister von Melos die Rückgabe der Statue von Frankreich. Er hatte mit seinem Anliegen bis jetzt zwar keinen Erfolg, aber da die Rechtslage ungeklärt ist und die Diskussion um die Rückgabe von kulturellem Erbe seit einigen Jahren neu entflammt ist, wird auch in diesem Fall das letzte Wort womöglich noch nicht gesprochen worden sein.