Porträtmalerei: Der Mensch im Mittelpunkt

Porträtmalerei: Der Mensch im Mittelpunkt

21.09.23
ars mundi

Darstellungen von Menschen gehören zu den ältesten Motiven der Malerei. Bis auf die Antike gehen die Ursprünge dieses Genres zurück. Die Porträtmalerei konnte sich über viele Epochen hinweg behaupten und hat bis heute in der zeitgenössischen Kunst ihren festen Platz. Viele Künstlerinnen und Künstler haben sich im Laufe ihrer Karriere an diesem beliebten, aber auch schwierigen Bildthema versucht.

Die hohe Kunst der Porträtmalerei besteht darin, nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch das Wesen und den Charakter der porträtierten Personen zu erfassen. Über die Jahrhunderte haben sich viele verschiedene Varianten der Porträt-Kunst herausgebildet. Diese unterscheiden sich u.a. hinsichtlich des Status und der Anzahl der dargestellten Personen, des Bildausschnitts sowie der Körperhaltung bzw. des Blickwinkels der Modelle. Auch der Grad des Realismus der Darstellungen veränderte sich in den Stilen der verschiedenen Kunstepochen.

Porträtmalerei: Joseph Grassi - Bild 'Luise, Königin von Preußen'

Welche Personen werden in der Porträtmalerei gezeigt?

In der Regel werden Porträts von realen bzw. für real gehaltenen Personen angefertigt. Doch der Personenkreis, der in diesen Kunstwerken abgebildet wird, veränderte sich über die Epochen hinweg. Ob eine Person in einem Porträt verewigt wurde, hing lange von ihrem Ansehen und dem gesellschaftlichen Status ab. So wurden etwa im Römischen Reich und im Alten Ägypten vornehmlich Porträts von Göttinnen und Göttern sowie von Herrschenden angefertigt. Auch Vertretern des Klerus wurde diese Ehre zuteil. Daneben waren es vor allem Händler und Kaufleute, die es sich leisten konnten, Bildnisse von sich anfertigen zu lassen. Die normale Bevölkerung blieb aber lange als Motiv ausgeschlossen. In den meisten Fällen handelte es sich bei den Porträts um Auftragsarbeiten, die als Herrschaftssymbol dienten oder an die Errungenschaften großer Persönlichkeiten erinnern sollten.

Erst in der Porträtmalerei des 19. Jahrhunderts fiel das exklusive Vorrecht der gesellschaftlichen Eliten auf Abbildung in der Malerei. So begannen die Kunstschaffenden der Romantik, einfache Menschen wie Bauern, Mägde oder Gärtner bei ihrer Arbeit zu zeigen. Dieser Trend verfestigte sich in den folgenden Jahrzehnten und ab dem 20. Jahrhundert waren in der Porträtmalerei schließlich nahezu alle Bevölkerungsschichten vertreten. Bestes Beispiel dafür ist die Pop-Art, in der Porträts bekannter Persönlichkeiten, wie Politikerinnen und Politiker, Musikerinnen und Musiker oder Schauspielende in den Fokus rückten.

Selbstbildnisse als Sonderform in der Porträt-Kunst

Hier machen sich die Malerinnen und Maler selbst zum Bildthema. Ab dem 15. Jahrhundert begannen Künstler wie Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer oder Rembrandt, solche Selbstporträts anzufertigen. Diese galten als Ausdruck ihres neuen Selbstbewusstseins und ihres größer werdenden gesellschaftlichen Status. Mitunter dienten sie aber auch schlicht als Übungs- und Experimentierfelder. Malerinnen und Maler aller folgenden Epochen griffen diese Idee auf, zum Beispiel Vincent van Gogh, Pierre-Auguste Renoir oder Paula Modersohn-Becker. Die mexikanische Malerin Frida Kahlo erklärte ihre Motivation für Selbstporträts ganz pragmatisch. Sie male sich selbst, weil sie so oft allein sei und sie sich selbst am besten kenne.

Das Porträt in der Malerei: Tronien

In seiner Definition nicht ganz scharf von den Porträts abzugrenzen, ist das Genre der Tronien. Hier werden ebenfalls Menschen gezeigt, doch es sind in der Regel keine realen Personen abgebildet. Vielmehr dienen die Tronien dazu, Studien von bestimmten Gesichtern zu üben oder einen allgemeingültigen Typus oder bestimmte Charaktere exemplarisch darzustellen.

Das Genre der Porträtmalerei hat viele Varianten

Unter den Begriff des Porträts fallen nicht nur Frontalabbildungen von Gesichtern. Vielmehr unterteilt sich das Genre in viele Unterkategorien. Das naheliegendste Unterscheidungsmerkmal ist die Anzahl der gezeigten Menschen. In vielen Porträts bildet nur eine einzige Person den Bildmittelpunkt. Neben diesen Einzelbildnissen gehören zu den Porträts die Doppelbildnisse, zum Beispiel von Geschwistern oder Paaren, sowie Gruppenbildnisse, wie etwa von ganzen Familien.

Weitere Untergruppen von Porträts definieren sich über den jeweiligen Bildausschnitt bzw. wie viel vom Körper des Modells im Bild gezeigt wird. So zeigt ein "Kopfbild" den ganzen Kopf bis zum Hals, das "Schulterstück" hingegen bezieht schon die obere Hälfte des Oberkörpers mit ein. Im "Bruststück" ist die Person mit dem gesamten Oberkörper, bei der "Halbfigur" bis zur Taille und bei der "Ganzfigur" vollständig zu erkennen.

Unterschiede gibt es auch bei der Kopfhaltung bzw. beim Blickwinkel der Person. So blickt bei der "Frontalansicht" das Modell die Betrachtenden direkt an. Beim "Profilbild" wird das Gesicht von der Seite gezeigt, "Halbprofil" und "Dreiviertelansicht" beschreiben weitere Winkel, in denen sich das Gesicht des Modells zum Betrachtenden befindet.

Porträtmalerei: Gabriele Münter - Bild 'Bildnis Marianne von Werefkin'

Das Porträt - ein Abbild der Menschen?

In einem Großteil der Porträtmalerei Werke versuchten die Künstlerinnen und Künstler bei ihrer Abbildung dem realen Vorbild der Modelle möglichst nahezukommen. Grundsätzlich ist bei den Porträts quer durch die Kunstgeschichte aber nicht davon auszugehen, dass zwischen den Proportionen des Modells und der Abbildung im Kunstwerk eine hundertprozentige Übereinstimmung herrscht. Ein naturgetreues Abbild darf aus mehreren Gründen angezweifelt werden:

  • Porträts zeigen oft nur allgemeine Typen: Frühe Porträts, wie man sie zum Beispiel aus der Antike kennt, weisen in der Regel nur wenige individuelle Züge der abgebildeten Personen auf. Zu dieser Zeit war es noch üblich, Gottheiten oder Herrschende entsprechend allgemeiner Standards darzustellen. Persönliche Merkmale wurden bestenfalls durch Waffen, Kronen oder andere Gegenstände, die den gesellschaftlichen Stand symbolisierten, angezeigt.
  • Porträtmalerei idealisiert und beschönigt: Bei vielen Porträts handelt es sich um Auftragsarbeiten von einflussreichen oder wohlhabenden Personen. Diese verfolgten mit ihren Bildnissen häufig strategische Ziele und legten Wert darauf, möglichst imposant und vorteilhaft zu erscheinen. Dafür nahmen sie direkt Einfluss auf die Malerinnen und Maler und kontrollierten so die Art und Weise ihrer Darstellung.
  • Der Blick der Kunstschaffenden ist nicht objektiv: Der Blick von Malerinnen und Malern und damit auch die Art und Weise, die Person auf die Leinwand zu bringen, kann durchaus subjektiv gefärbt sein. So kann sich die Situation des Kunstschaffenden oder auch sein Verhältnis zum Modell im Bild widerspiegeln. Der Schriftsteller Oscar Wilde ging sogar davon aus, dass in einem Porträt mehr vom Malenden als vom Gemalten zu erkennen sei: "It is rather the painter who, on the coloured canvas, reveals himself."
  • Der Stil sieht es nicht vor: Spätestens mit dem Expressionismus Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand der Anspruch an die Porträts, möglichst realistisch sein zu wollen. Die Expressionisten sahen ihre Aufgabe nicht in einer möglichst natürlichen oder gar beschönigenden Darstellung der Personen. Vielmehr wollten sie hinter die Fassade der Menschen blicken und mit der Porträtmalerei einen Blick in die Seele und den Charakter ermöglichen. So schufen Künstlerinnen und Künstler wie Gabriele Münter, Alexej von Jawlensky, Egon Schiele oder Oskar Kokoschka abstrahierende, schonungslose und auch wenig schmeichelnde Porträts.

Porträtmalerei: Anton Graff - Bild 'Friedrich der Große, König von Preußen'

Berühmte Porträts der Kunstgeschichte

Bei einigen der berühmtesten und auch teuersten Gemälde der Geschichte handelt es sich um Porträtmalerei. Aus der Renaissance Portraitmalerei stammen gleich zwei Werke eines Künstlers, die heute zu den bedeutendsten Porträts aller Zeiten zu zählen sind. Geradezu als Prototyp der Porträt-Kunst darf ohne Zweifel die "Mona Lisa" von Leonardo da Vinci bezeichnet werden. Ein weiteres Werk da Vincis dürfte sich im Bekanntheitsgrad der "Mona Lisa" mittlerweile stark angenähert haben: "Salvator Mundi" - ein Ölgemälde etwa aus dem Jahr 1500, das Jesus Christus zeigt und 2017 für 450 Millionen US-Dollar versteigert wurde.

Im 17. Jahrhundert hielt die Popularität der Porträtmalerei an. Vor allem in den Niederlanden hatten sich viele Porträtmalende etabliert. Zu diesen zählte auch Jan Vermeer van Delft. 1665 schuf er das legendäre "Mädchen mit dem Perlenohrring", das bis heute viele Kunstliebhaberinnen und Kunstliebhaber fasziniert.

Aus dem 18. Jahrhundert stammen einige besonders eindrucksvolle und bis heute berühmte Bildnisse von Königen. Hervorzuheben sind hier die Porträts des französischen Königs Ludwig XIV. von Hyacinthe Rigaud sowie ein Gemälde von Anton Graff, das Friedrich II. zeigt.

Im 19. Jahrhundert revolutionierte der Impressionismus die Malerei der Porträts. Im Fokus standen hier vor allem Landschaftsgemälde, doch mit dem "Selbstporträt mit Strohhut" (1887) von Vincent van Gogh entstand auch ein sehr bekanntes Porträt in dieser Epoche.

Wegen der Vielfalt der Stile im 20. Jahrhundert entfallen auch gleich mehrere ikonische Porträts auf diese Phase. Picassos Gruppenbildnis "Demoiselles d´Avignon" von 1907 zählt heute zu den ersten bahnbrechenden Werken des Kubismus. Eines der populärsten Werke aller Zeiten schuf Gustav Klimt mit "Adele Bloch Bauer I" ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts.

Auch in der Pop-Art blieb das Menschenbild ein großes Thema. So entwickelte Andy Warhol 1967 auf Grundlage eines Fotos seine weltberühmte Siebdruckserie von Marilyn Monroe. Es folgten viele weitere Interpretationen des Genres zum Beispiel von Robert Longo mit eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Porträts oder von Gerhard Richter mit seinen unverkennbaren Schleier-Effekten. Bis in die Gegenwart ist die Porträtmalerei bei Kunstschaffenden und Publikum sehr beliebt.