Von Schnee und Eis: Winterlandschaften in der Malerei

Von Schnee und Eis: Winterlandschaften in der Malerei

12.01.23
ars mundi

Verschneite Dörfer, neblige Wälder, zugefrorene Seen und Szenen mit Menschen beim Winterspaziergang oder beim Schlittschuhlaufen: Winterliche Impressionen gehören zu den besonders beliebten Genres in der europäischen Malerei. Künstlerinnen und Künstler vom Barock bis zur Gegenwartskunst widmeten sich der Malerei von Schneelandschaften. Jeder Stil fand dabei seine eigene Art und Weise, den Winterfreuden Ausdruck zu verleihen. Aber auch hinsichtlich Stimmung und Botschaft unterscheiden sich die Winterbilder.

Viele Gemälde dieses Genres zeigen verschneite Landschaften in einer ruhigen und idyllischen Atmosphäre. Doch kalte und karge Winterszenen dienen oftmals auch als Symbole für Vergänglichkeit und Einsamkeit, sodass die Stimmung in den Bildern durchaus düster und bedrückend sein kann. Ob romantisch oder skeptisch – die Winterlandschaften veranschaulichen sehr lebhaft, wie groß der Einfluss dieser Jahreszeit auf das Leben der Menschen war und ist.

Die Winterlandschaft entwickelt sich zu einem eigenständigen Sujet

Die Landschaftsmalerei und damit auch die Malerei von Winterlandschaften hatte sich erst relativ spät zu einem eigenständigen Genre entwickelt. Bis ins 15. Jahrhundert stand üblicherweise noch der Mensch im Mittelpunkt der Gemälde. Wälder, Felder, Berge oder Meere dienten lediglich als Hintergrund oder schmückten eine bestimmte Szenerie aus.

Ab dem 16. Jahrhundert begannen Malerinnen und Maler mehr und mehr, sich auf die Darstellung der Natur zu konzentrieren, wobei im Gegenzug der Mensch oftmals nur noch als Staffage diente. Auch die Malerei von Winterlandschaften erlebte in dieser Phase einen ersten Popularitätsschub. Das wachsende Interesse an der Malerei von Winterlandschaften wurde womöglich auch von der Wetterlage beeinflusst. Forscher gehen davon aus, dass zwischen ca. 1500 und ca. 1700 in Europa eine "Kleine Eiszeit" herrschte, was die Maler und Malerinnen jener Epochen veranlasst haben könnte, den Winter öfter als Bildthema aufzugreifen.

Aus dieser Zeit stammt auch eines der heute noch bekanntesten Gemälde mit einem winterlichen Motiv. 1565 malte Pieter Bruegel d. Ä. "Die Jäger im Schnee", in dem – anders als der Titel vermuten lässt – nicht die Jäger, sondern eine verschneite Landschaft im Mittelpunkt steht. Auch in den folgenden Epochen Barock und Romantik wurden vermehrt Landschaften aus Eis und Schnee gemalt, unter anderem von Rembrandt van Rijn ("Winterlandschaft"), Hendrick Avercamp ("Winterlandschaft mit Eisläufern"), Caspar David Friedrich ("Eismeer", "Winterlandschaft mit Kirche") oder William Turner ("Schneesturm").

Caspar David Friedrich: Bild 'Eismeer'

Im Impressionismus wird die Winterlandschaft als Bildthema weiterentwickelt

Spätestens im Impressionismus des 19. Jahrhunderts hatte sich die Winterlandschaft als eigenständiges Bildgenre etabliert. Die Malerei jener Epoche schien wie geschaffen für die Darstellung von winterlichen Szenen. Sie stellte die Atmosphäre des Moments, das Farbenspiel und vor allem die besonderen Lichtverhältnisse in den Mittelpunkt und konnte damit besonders stimmungsvoll die winterlichen Eindrücke einfangen.

Der Schnee wirkt wie ein natürlicher Weichzeichner und kam damit den Impressionisten, die sich von einer sehr detailreichen Darstellung der Bildobjekte verabschiedet hatten, sehr entgegen. Nahezu alle wichtigen Malerinnen und Maler des Impressionismus widmeten sich auch den verschneiten Landschaften. Claude Monet soll allein weit über 100 Winterlandschaften gemalt haben. Eines seiner wichtigsten Werke aus diesem Genre ist "Die Elster".

Aber auch viele seiner Kollegen wie Camille Pissarro ("Der Boulevard Montmartre an einem Wintermorgen"), Alfred Sisley ("Eine Dorfstraße im Winter"), Édouard Manet ("Effet de neige à Petit-Montrouge") oder Lovis Corinth ("Walchensee im Winter") schufen Winterimpressionen. Auffällig dabei ist, dass viele Künstler sich bereits in dieser Phase von einer typischen weißen oder hellgrauen Darstellung des Schnees entfernten und ihn auch in anderen Farbtönen wie Rot oder Blau malten.

Claude Monet: Bild 'Die Elster'

Ausdrucksstarke Winterlandschaften in der Klassischen Moderne

Auch im Expressionismus der Klassischen Moderne blieb die Winterlandschaft ein beliebtes Sujet. Dabei setzte sich der Trend zu einer immer weniger realistischen Darstellung von Winterlandschaften fort. Die expressionistischen Malerinnen und Maler griffen in ihren Gemälden den Effekt auf, dass der Schnee die Gegenstände auf wenige Schemen reduziert und starke Kontraste schafft – fast wie in einem Holzschnitt.

In beiden großen Schulen des Expressionismus in Deutschland widmeten sich die Künstlerinnen und Künstler dann auch der Malerei von Winterlandschaften. Unter den Dresdener "Brücke"-Künstlern war es vor allem Ernst-Ludwig Kirchner, der die Winterlandschaften in einer modernen Farb- und Formgebung interpretierte. Er war 1917 ins schweizerische Davos gezogen und malte ab dieser Zeit fast ausschließlich die Berge, den Ort und die Natur, darunter auch viele Winterszenen. Besonders auffällig war seine Art und Weise, den Schnee darzustellen. Kirchners Farbpalette reichte dabei von orange und rosa bis zu violett und graublau, wie zum Beispiel in seinen Gemälden "Davos im Winter. Davos im Schnee" oder "Winter in Davos".

Auch andere "Brücke"-Künstler wie Karl Schmidt-Rottluff ("Birken im Schnee"), Erich Heckel ("Erzgebirgslandschaft im Winter") oder Max Pechstein ("Schmelzender Schnee") ließen sich vom Winter inspirieren. Beim "Blauen Reiter" aus der Region München war das Sujet der Winterlandschaften sehr beliebt, zum Beispiel bei Gabriele Münter ("Drei Häuser im Schnee"), Franz Marc ("Rehe im Schnee II") oder Wassily Kandinsky ("Winterstudie mit Berg"). Aber auch viele andere Künstler der Moderne wie Edvard Munch ("Allee im Schneegestöber"), Henri Matisse ("Winter Landscape on the Banks of the Seine") oder Max Beckmann ("Schneelandschaft Garmisch") schufen verschneite Landschaften. Sogar Paul Gauguin, der eigentlich vor allem für seine Impressionen aus der Südsee bekannt ist, schuf ein "Bretonisches Dorf im Schnee".

Ernst Ludwig Kirchner: Bild 'Davos im Winter'

Winterlandschaften von der Mitte des 20. Jahrhundert bis zur Gegenwartskunst

Auch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts konnten sich die Winterlandschaften in der Malerei als Bildthema halten – und dass, obwohl sich einige Stile entwickelten, in denen die figurative Darstellung eine immer geringere Rolle spielte. Vor allem im Surrealismus, in der Pop-Art und in allen Varianten der immer populärer werdenden Abstraktion rückten die Winterlandschaften etwas in den Hintergrund, doch letztlich verschwanden sie nie ganz aus den Ateliers. So schuf Gerhard Richter Ende der 1960er-Jahre eine umfangreiche Werkgruppe mit Schneelandschaften, zum Beispiel "Alpenlandschaft im Winter".

Der für seine fantastischen und poetischen Bildwelten bekannte Marc Chagall schuf auch Impressionen aus der kalten Jahreszeit, zum Beispiel "A Village In Winter" und "Winter", ebenso Alex Katz ("Winter Scene"), Otto Dix ("Am Bodensee, Winter") oder Armin Mueller-Stahl ("Winterliche Landschaft"). Bis in die Gegenwart übt die Winterlandschaft eine große Faszination auf Künstlerinnen und Künstler aus und inspiriert sie zu stimmungsvollen Gemälden aus der kalten Jahreszeit.