Berühmte Werke: Analyse der "Sternennacht" von Van Gogh

Berühmte Werke: Analyse der "Sternennacht" von Van Gogh

07.03.24
ars mundi

Die "Sternennacht" von Vincent van Gogh (1853 – 1890) wird heute von vielen Expertinnen und Experten als eines seiner wichtigsten Werke betrachtet. Das Gemälde, das er im Jahr 1889 malte, repräsentiere umfänglich die Arbeit des niederländischen Malers. Außerdem gilt es als eines der wichtigsten Werke des Impressionismus als auch der Landschaftsmalerei an sich.

Van Gogh selbst hielt es zu Lebzeiten allerdings nicht für eines seiner herausragenden Werke. Vielmehr sah er in ihm lediglich eine Art Skizze oder Vorstudie. Vielleicht lag es auch an dieser Einschätzung des Meisters selbst, dass es rund 50 Jahre aus der Öffentlichkeit verschwunden war. Erst 1941 wurde es aus Privatbesitz ins Museum of Modern Art in New York verkauft. Seitdem gehört das 73,7 cm x 92,1 cm große Bild zur Sammlung des renommierten Kunsthauses und ist einer seiner großen Publikumsmagneten.

Das Motiv ist heute weit über die Kunstwelt hinaus bekannt. Es wurde unzählige Male reproduziert und auf diverse Produkte wie Kissen, T-Shirts, Schmuck, Tassen oder Handy-Hüllen gedruckt. Es inspiriert es bis heute Kunstschaffende verschiedenster Genres zu Replikaten und Neuinterpretationen.


Hintergrund: Van Gogh malte die "Sternennacht" in einem Sanatorium

Vincent van Gogh malte das bedeutende Kunstwerk Sternennacht in seinem letzten Lebensjahr unter besonderen Bedingungen. Im Mai 1889 begab er sich in eine psychiatrische Klinik im südfranzösischen Saint-Rémy-de-Provence. Bereits in den Monaten zuvor hatte sich sein mentaler Zustand stark verschlechtert. Es war gerade ein halbes Jahr her, dass er sich im Streit mit Paul Gauguin sein halbes Ohr abgeschnitten hatte. In der Klinik Saint-Paul-de-Mausole hoffte er nun auf Ruhe und Genesung.

Von seinem Bruder Theo ließ er sich hier mit Farben und Leinwand versorgen, sodass er weiter malen konnte. Er bekam innerhalb des Sanatoriums einen eigenen Atelierraum zugewiesen, in dem zahlreiche Werke entstanden – unter anderem auch das Kunstwerk "Sternennacht". Die abgebildete Szene entspricht allerdings nicht dem realen Blick vom Klinikgebäude auf den Sternenhimmel und die Landschaft. Tatsächlich hatte van Gogh gar nicht die Möglichkeit, das Bild nach seinem Augenschein zu malen. Weder aus seinem Zimmer noch aus seinem Atelier hatte er freien Blick auf die Landschaft, so wie er sie in seinem Bild zeigt. Außerdem durfte er anfänglich das Gelände der Klinik nicht verlassen, um etwa in der freien Natur zu malen. Daher wird heute davon ausgegangen, dass er das Gemälde aus Fragmenten aus seiner Erinnerung komponierte.

Sternennacht Bildbeschreibung: Van Gogh machte den Himmel zum Hauptdarsteller

Vincent van Gogh: Bild 'Sternennacht'

Das Werk spiegelt die Faszination wider, die van Gogh für die Atmosphäre der Nacht empfand. Er war sogar der Meinung, dass die Farben in der Nacht wesentlich intensiver seien als am Tag. Trotzdem malte er nur wenige Bilder, in denen er der nächtlichen Stimmung so viel Raum gab wie in der "Sternennacht".

Am Anfang jeder Analyse der Sternennacht von van Gogh steht der Himmel. Gut zwei Drittel des Gemäldes widmete er den Wolkenformationen, dem Mond und den Sternen. Besonders ins Auge fallen hier die Wolken, die in großen Verwirbelungen den Himmel überziehen. Sie wirken wie hohe Wellen in einer stürmischen See. Der dynamische Bildeindruck wird von der Technik unterstützt, die van Gogh bei der "Sternennacht" anwendete. Die Ölfarben trug er mit seinen typischen kurzen Pinselstrichen auf die Leinwand auf. So versetzte er die kurzen monochromen Linien in eine Bewegung mit einem gleichmäßigen Rhythmus.

Ebenso viel Augenmerk wie auf die Wolken legte van Gogh auf den Mond und die zahlreichen Sterne. Diese Himmelskörper zu malen, betrachtete er als besondere Herausforderung. Er sah in ihnen weitaus mehr als nur weiße Punkte am dunklen Himmel. Vielmehr identifizierte er an ihnen verschiedene Farbtöne von Gelb über Grün und Blau bis zu Rot-Abstufungen. Entsprechend sorgfältig inszenierte er auch die Sterne in diesem Gemälde. Ihre Zentren definierte er in Gelb, Orange und Weiß. Um sie herum malte er ausgedehnte, kreisförmig angelegte helle Höfe.

Die Sternenkonstellation, die van Gogh zeigt, hat auch das Interesse von Astronominnen und Astronomen geweckt. Diese kamen zu dem Schluss, dass es sich zum Teil um eine plausible Abbildung des Sternenbildes im Sommer des Jahres 1889 handelt. Mindestens der Mond und einige Sterne stehen in der richtigen Position. Andere Himmelskörper setzte der Maler aber mehr oder weniger frei auf die Leinwand.


So wie sich van Gogh bei der Ausgestaltung des Himmels nicht an das reale Firmament hielt, vermischte er auch bei der Landschaft im unteren Bilddrittel Fantasie und Realität. Bei allen Gebäuden wich er von der typischen Architektur Südfrankreichs ab. Er ordnete auch die Häuser des Dorfes anders an. Bei der Kirche musste van Gogh offenbar ebenfalls improvisieren. Er malte das klassizistische Bauwerk nicht mit dem originalen Glockenturm und ohne die charakteristische große Kuppel.

Die Gebirgszüge am rechten Bildrand hingegen entsprechen wieder der realen Landschaft. Auch die Zypressen, die van Gogh in den Vordergrund des Bildes setzte, sind in dieser Region häufig zu finden. Er malte sie in Dunkelgrün und Braun und ließ sie wie eine große Flamme emporlodern. Die gesamte Szene erscheint – für ein Bild von der Nacht – sehr gut ausgeleuchtet. So malte van Gogh den Himmel überwiegend in hellen Blautönen sowie Weiß und Gelb. Dunkelblau oder Schwarz als typische Farben der Nacht verwendete er hingegen kaum.

Was wollte van Gogh mit dem Bild ausdrücken? Die "Sternennacht" und seine Interpretationen

Es ist nicht überliefert, was van Gogh mit dem Bild ausdrücken wollte. Entsprechend viele Theorien kursieren zu der möglichen Bedeutung des Werkes "Sternennacht". Sowohl das Motiv insgesamt als auch einzelne Bildgegenstände sowie van Goghs Biografie wurden dafür analysiert.

Besonders häufig findet man Interpretationen, die in dem Kunstwerk "Sternennacht" einen unmittelbaren Nachweis seines desolaten psychischen Zustands sehen wollen. Viele Elemente des Gemäldes deuteten auf seine Lebenskrise und sein Leid hin. So wird der dynamische Himmel häufig als Symbol für seinen aufgewühlten Seelenzustand interpretiert. Auch der Kontrast zwischen den turbulenten Wolkenformationen und der ruhigen Landschaft sei als Hinweis auf seine innere Zerrissenheit zu verstehen.

Der helle und große Mond könne ebenfalls ein Hinweis auf van Goghs Gedankenwelt sein. Dieser wird unter anderem als Symbol für Wechsel und Wandel, aber auch als Zeichen der Hoffnung und der Erlösung betrachtet. Auch die sehr prominent platzierte Zypresse regt die Fantasie an. Sie hat in der Menschheitsgeschichte viele verschiedene Bedeutungen, wird aber häufig mit dem Jenseits und der Trauer, aber auch mit der Unvergänglichkeit des Lebens assoziiert.

Letztlich bleibt jede Interpretation im Bereich der Spekulation

Van Gogh spielte in seinem Gemälde zwar offensichtlich mit starken Kontrasten wie Hell und Dunkel sowie Ruhe und Unruhe. Daraus aber einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Psyche und Werk abzuleiten, ist unter Kunstexpertinnen und Kunstexperten zumindest strittig. So ist keinerlei ärztliche Diagnose zu seinem tatsächlichen Gesundheitszustand überliefert. Außerdem war van Gogh nicht unbedingt dafür bekannt, seinen Emotionen unmittelbar in seinen Gemälden Ausdruck zu verleihen. Der überwiegende Teil seiner Werke wirkt mit hellen Farben und ruhigen Szenen eher lebensbejahend als depressiv und verzweifelt.

Die tatsächliche Bedeutung der "Sternennacht" wird aber vermutlich für immer ein Rätsel bleiben.